Ein moderner Schamane

Große Ausstellung in London versucht zu beleuchten, warum David Bowie die Fans so fasziniert

Von dpa­ Korrespondentin Britta Gürke

LONDON. "Ground Control to Major Tom" - sollte David Bowie es schaffen, bei dem derzeitigen Hype um ihn noch am Boden zu bleiben, dann trifft er dort nicht seine Fans an. Die sind in schwindelerregende Höhen abgedriftet und schweben auf der Welle des neuesten Hypes um das musikalische Multitalent. Nach zehn Jahren Schaffenspause meldete der 66-Jährige sich Anfang März mit einem neuen Album zurück. "The Next Day" stieg wie eine Rakete in die Charts auf. Am Wochenende wurde nun eine große Ausstellung zu Bowies Werk im berühmten und altehrwürdigen Victoria and Albert Museum in London eröffnet. Sie ist schon auf Wochen hinaus ausgebucht. Bowie ist auf dem sicheren Weg zur Ikone. "Wir hatten eine kleine Vorahnung, dass die Ausstellung ein Erfolg werden könnte", sagte Museumsdirektor Martin Roth bescheiden. Dass Bowie nur wenige Wochen vor dem Start eine neue Platte herausbringen würde, davon hätten sie allerdings genauso wenig gewusst wie alle anderen.
An der Schau war Bowie nicht beteiligt. "Der Deal war: Ihr könnt euch Sachen aus meinem Archiv ausleihen, aber ihr regelt alles mit meiner Archivarin", schildert Kurator Geoffrey Marsh. Keiner aus dem Team habe jemals mit dem privat als scheu geltenden Musiker gesprochen. Marsh und Kuratorin Victoria Broackes wollten vor allem zeigen, wie sehr Bowie unser aller Leben bis heute beeinflusst - in Mode, Kunst und Kultur. Und wie sehr er dazu beigetragen hat, "Anderssein" akzeptabel zu machen, ob es dabei um Homosexualität, schräge Klamotten oder ungewöhnliche Ansichten geht.
"David Bowie ist überall", heißt es denn auch am Eingang. "Er hat wohl mehr Einfluss auf die zeitgenössische Kultur als irgendein anderer Musiker seiner Generation. Seine Beiträge zu Musik, Performance, Mode und Design sind Meilensteine unserer Zeit", so Kurator Marsh. "Bowie", so ist er überzeugt, "ist eine Art Schamane des 21. Jahrhunderts". Im Hintergrund läuft auf Kopfhörern ständig Bowies Musik - und die allein erklärt seine Berühmtheit.
Was aber macht ihn derart faszinierend, dass er zu einer Art lebender Legende wird? "David Bowie ist eine Ikone, und dass er nicht in der Öffentlichkeit steht, macht ihn noch attraktiver", erklärt sich Museumschef Roth das Phänomen. Bowie, der extrem zurückgezogen mit seiner zweiten Frau und seiner Tochter in New York lebt, hat sich seit dem neuen Hype um ihn nicht gezeigt oder gar ein Interview gegeben.
Was von außen so aussieht, als ob er sich ganz aus PR-Strategien heraushalten würde, dürfte einer seiner vielen genialen Schachzüge sein. Beinahe "hintenherum" ist zum Beispiel die neue Platte mit Hilfe des Symbols eines weißen Quadrats ins Bewusstsein der Käufer geschlichen: Mit dezenten Werbeanzeigen und einem Internetkult, sich mit einem weißen Quadrat fotografieren zu lassen.

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Die Exponate der Ausstellung

Mit Hilfe von Bildern, Videos, Notizen, Skizzen, Schallplatten und Musik wird in der Ausstellung der Weg von David Robert Jones, wie Bowie mit bürgerlichem Namen heißt,
aus dem Londoner Stadtteil Brixton nach ganz oben nachverfolgt. Mit „Space Oddity" und der Figur des Major Tom gelingt ihm 1969 der Durchbruch.

Bowie malt, komponiert, schafft Texte mit Hilfe eines Zufalls-Generators und trägt vorher nie da gewesene Kostüme. Davon sind zahlreiche originale ausgestellt. Dass Bowie nichts nur seinen Mitarbeitern und schon gar nicht dem Zufall überlässt zeigen die detaillierten Anweisungen für Albumcover, Bühnenbilder und anderes.